Interpretierbare datenbasierte Modellierung für die Anwendung in Motorsteuergeräten

Björn Kolewe

eingereicht am 02. Februar 2018
verteidigt am 28. Mai 2018

Gutachter:

Prof. Dr.-Ing. Torsten Jeinsch, Universität Rostock
Prof. Dr.-Ing. Bert Buchholz, Universität Rostock
Prof. Dr. Ping Zhang, Technische Universität Kaiserslautern

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Kurzfassung

Die Komplexität neuer energie- und emmissionseffizienter Verbrennungsmotoren und Hybridantriebe sowie deren umfangreiche und hochgenaue Steuerungen und Regelungen der Motorfunktionen erfordern immer komplexere mathematische Modelle der zu kontrollierenden Prozesse. Diese müssen zudem in Motorsteuergeräten in Echtzeit berechenbar sein.

Datenbasierte Verfahren bieten die Chance, den damit verbundenen hohen Entwicklungs- und Applikationsaufwand zu reduzieren und die komplexen Zielgrößenverläufe auf Grundlage der am Prüfstand gewonnenen Messdaten zu approximieren. Dem entgegen steht der exponentiell wachsende Datenbedarf, der bei einer großen Anzahl von Eingangsgrößen die klassische Modellvalidierung über gesonderte Datensätze beschränkt und Optimierungsalgorithmen für eine tendenziell dünn besetzte Datenbasis erfordert.

In dieser Arbeit wird eine datenbasierte Modellstruktur zur Approximation komplexer, hochdimensionaler Prozesse für die Anwendung in Motorsteuergeräten vorgestellt, die als lokal unabhängiges, paralleles Modellnetz auf Grundlage der Basisfunktionsdefinition entworfen wurde sowie gut über Prozesswissen validierbar ist. Es wird eine spezielle Basisfunktion vorgeschlagen, welche die Forderung nach einer intuitiven und wissensbasierten Validierung unterstützt sowie lokale Änderungen der Modellparameter zulässt. Die resultierende Modellstruktur weist ein einfaches Interpolationsverhalten auf und kann in ihrem Extrapolationsverhalten flexibel an die konkreten Anforderungen angepasst werden. Ergänzend wird ein iterativer Optimierungsalgorithmus vorgeschlagen, welcher das Modell über eine hierarchische achsenorthogonale Partitionierung unter Vorgabe eines frei definierbaren Gütekriteriums approximiert. Die Teilungen erfolgen in jedem Iterationsschritt optimal und garantieren so eine minimale Anzahl an Teilmodellen. Die Ausgangsgleichung des Modells ermöglicht eine ressourcenschonende Berechnung auf den typischerweise auf Motorsteuergeräten eingesetzten Prozessoren.

Die Güte datenbasierter Modellierungen hängt in hohem Maße von der Qualität des zur Optimierung eingesetzten Datensatzes ab. In der vorliegenden Arbeit wird eine iterative Versuchsplanung vorgestellt, deren gruppierte sequentielle Ermittlung der Versuchspunkte den Vorteil bietet, das mit der Modellierung wachsende Prozesswissen zur optimalen Platzierung der nächsten Versuchspunkte zu nutzen. Die Versuchsplanung ist speziell für die Anforderungen des vorgestellten Modellierungsalgorithmus entworfen und in dessen Ablauf eingebunden. Sie garantiert eine optimale Verteilung der Versuchspunkte im Hinblick auf die Struktur- und Parameteroptimierung des vorgestellten Modellansatzes und vermeidet Überanpassungen an die Messdaten. Damit ermöglicht sie eine zuverlässige Bewertung der Modellgüte auf Grundlage der Trainingsdaten. Diese Eigenschaften tragen zu einer Minimierung des Versuchsaufwandes bei und ermöglichen eine effektive Vermessung von Prozessen, in denen keine Kenntnisse über den Verlauf der Zielgröße vorliegen. Die Versuchsplanung gestattet die Berücksichtigung praktischer Anforderungen, wie die freie Definition der Werte diskreter Stellgrößen sowie von Begrenzungen und Ausschlüssen im Versuchsraum. Geplante, jedoch nicht ausführbare Messungen werden online in die weitere Planung einbezogen.   

Zur Umsetzung der Modellierung und Versuchsplanung wurde eine Toolkette unter MATLAB/Simulink entwickelt. Die Eigenschaften der vorgestellten Algorithmen und Methoden werden an Hand der Modellierung der Füllungserfassung eines Motors mit variablen Ventiltrieb aufgezeigt. Neben dieser praktischen Umsetzung wurden Vergleiche anhand synthetischer Testfunktionen mit GMR- und LOLIMOT-Modellierungen durchgeführt.